Dass Hasan Ismaik, arabischer Großinvestor (60%) beim TSV
1860 München, kein Freund von freier Meinungsäußerung ist, sofern sich diese
nicht mit der eigenen deckt, ist ja hinlänglich bekannt und hat seinen
traurigen Höhepunkt in dem Ausschluss der BILD-Redakteurin (http://www.bild.de/sport/fussball/1860-muenchen/sperrt-bild-reporterin-aus-50697150.bild.html)
vom Bundesligaspiel gegen den FC St. Pauli am vergangenen Wochenende gefunden.
Kristina Ellwanger hatte ein einem Bericht unliebsame Wahrheiten über den
Umgang des Vereins mit einem seiner Spieler berichtet und kam damit offenbar
auf eine „schwarze Liste“ – ein Verhalten, das weder richtig schlau noch
strategisch annähernd durchdacht war, da die BILD-Zeitung als Feind noch nie
eine gute Idee war. Als nun aber während des Spiels seiner Löwen gegen St.
Pauli die vor ihm sitzenden Aufsichtsratsmitglieder des FC St. Pauli seiner
Meinung nach zu ausgelassen jubelten, wurden diese zunächst von einem Ordner auf
seinen Geheiß hin um Mäßigung gebeten und nach dem unverschämten Jubel über das
Führungstor, sogar zu einem Verlassen der Plätze aufgefordert (http://www.sueddeutsche.de/sport/muenchen-protest-aus-st-pauli-1.3406181).
Unter uns Fußballfans gesagt, verstehe ich ihn da komplett,
zumal ich mir gut vorstellen kann, dass die Anwesenheit des „mächtigen“
Jordaniers eventuell zu dem einen oder anderen hämischen Blick geführt haben
dürfte. Ich hätte mir diesen zumindest nicht verkneifen können. Nur leider saß
Hasan Ismaik nicht in der Fankurve und dummerweise ist er kein stinknormaler
Giesinger Löwenfan, sondern der mächtigste Mann im Verein, der neben 60% der
Anteilen, auch 49% der Stimmrechte und 90% der Vermarktungsrechte (indirekt
über seine Vermarktungsfirma) hält. Dieser Mann führt sich auf, wie Kim Jong Un
in Nordkorea, der aus persönlichen Launen heraus regiert und Entscheidungen
nach eigener Willkür trifft. Für einen Traditionsverein, wie 1860 München, die
auf Grund ihrer Herkunft aus dem Herzen Münchens, von je her als der
bodenständige, ehrliche Verein der Städter gesehen wird, eine totale
Vollkatastrophe, möchte man meinen. Hier trifft die Liebe zu einem Verein, die
man schon von seinem Vater geerbt hat, auf arabisches Scheichtum, bei dem der
Patriarch sich nicht im Geringsten darum schert, was das Volk zu seinem Handeln
sagt. Und wie reagiert das Volk? In einer alles andere als repräsentativen
Umfrage bei 60-Fans in meinem persönlichen Umfeld war der Tenor eher: „wenn wir
mit dem aufsteigen, passts schon.“
Irritierend, wenn man einen Vergleich zum aktuellen
Hassobjekt der selbsternannten Fussball-Fankultur zieht. Bei RB Leipzig, oder
besser gesagt bei der RBL GmbH, hat der Brausekonzern Red Bull das absolute Sagen.
Die 14 stimmberechtigten Mitglieder des Vereins verständigten sich „überraschenderweise“
2014 auf die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in die RBL GmbH, bei der
Red Bull 99%iger Anteilseigner ist (laut Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/RB_Leipzig),
also de facto bei RB Leipzig das Sagen hat. Und mit ihm natürlich Dietrich
Mateschitz, der Gründer des Konzerns. Das ein Unternehmen gezielt in der
fünften deutschen Liga einen Verein übernimmt und ihn nach allen Regeln der
Kunst mit Geldern oder eher Budgets vollpumpt und so den Erfolg quasi erkauft,
wird in der Fußball Szene mit Abscheu bewertet. Alle Klischees werden
ausgenutzt (keine Tradition, keine Fans, keine Liebe zum Verein, der Verein ist
nur ein Spielzeug etc.), um seiner Wut und natürlich auch seinem Neid über den
neuen Bayern-Verfolger Luft zu machen. Die Folgen sind allen bekannt: Gewalt
und Beleidigungen wo immer RB Leipzig spielt.
Als Werder Fan bin ich ebenfalls ein Anhänger traditioneller
Vereine. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig stolz bin, dass das Weserstadion
noch Weserstadion heißt (auch wenn das sicher andere Gründe hat, als reine
Sentimentalität des Vereins), dass wir viele große Spieler raus gebracht haben,
in der Champions-League spielten und bereits mehrfach deutscher Meister waren.
Ich erkenne es aber auch an, wenn ein Investor aus Liebe zum Verein den
Stadionnamen zurückkauft und es wieder „Volksparkstadion“ nennt, also etwas
Gutes für die Fußballer Seele macht. In dem Fall wiederum verstehe ich den
Investor als Retter der Tradition, auch wenn er natürlich auch nicht immer ganz
einfach ist.
Doch zu der Urspungsfrage zurück: Warum entlädt sich der ganze Hass auf RB
Leipzig, bei dem ein Unternehmen ganz gezielt und vermutlich nach einem organisierten
Finanzplan einen bis dato nahezu unbedeutenden Verein übernommen hat, um in die
höchsten Gefilde der Bundesliga aufzubrechen? Warum nicht auf einen Verein, der
unter einem launischen Investor kopflos handelt und alles, was bislang den
Verein ausgemacht hat, mit Füßen tritt?
Auf der einen Seite wird ein Verein ohne Tradition aus
Kommerzgründen in die Bundesliga geführt und auf der anderen ein traditioneller
Verein aus persönlichen Gründen in den Abgrund geführt. RB Leipzig ist dabei
eine Tradition aufzubauen, während 1860 dabei ist, die eigene Tradition aufs
Spiel zu setzen und nach meinem Verständnis sollte doch zumindest derjenige,
der etwas aufbaut eher gewertschätzt werden, als derjenige, der etwas zerstört.
Daher werde ich zwar niemals ein Fan von RB Leipzig werden,
muss aber sagen, dass mir das Engagement von Red Bull mittlerweile lieber ist,
als das vogelwilde Gebaren des selbsternannten Scheichs von Giesing…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen